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Warum uns manchmal die Worte fehlen

29
Jan, 2018
Gastbeitrag von Sabrina Grether

Wer kennt es nicht: Man verbringt einen gemütlichen Abend mit Freunden oder der Familie, unterhält sich, diskutiert und irgendwann fällt ein Kommentar, auf den man einen richtig schlagfertigen Konter erwidern möchte. Doch schlagfertig ist so ein Konter eben nur, wenn er wie aus der Pistole geschossen kommt. In solchen Momenten fällt uns aber natürlich nichts ein, sondern immer erst dann, wenn es schon zu spät ist.

Aber wie nennt man das eigentlich? Dieses Phänomen, dass einem immer erst nach einer Unterhaltung, sobald man zur Tür hinaus ist, einfällt, was man hätte sagen sollen?
Es gibt dafür tatsächlich einen Ausdruck – allerdings nicht im Deutschen.

Unsere französischen Nachbarn nennen es „l’esprit de l’escalier“ (wörtlich: der Geist der Treppe). Somit kann ein Franzose oben beschriebene Situation mit nur einem Ausdruck beschreiben, während wir eine komplizierte Umschreibung finden müssen.

Doch nicht nur uns Deutschen fehlen manchmal die Worte. Die englische Sprache bedient sich sogar hin und wieder der deutschen Sprache, um etwas auszudrücken, wofür es im Englischen keine Entsprechung gibt. Wie einfach ist es doch für uns, zu erklären, dass man sich über das Unglück eines Anderen freut! Wir nennen dieses Gefühl ganz einfach „Schadenfreude“. Da es im Englischen allerdings keine Übersetzung für „Schadenfreude“ gibt, wurde das deutsche Wort einfach übernommen und den grammatikalischen Regeln des Englischen angepasst, wodurch es zu schadenfreude wurde. Sogar ins Oxford Dictionary haben wir es damit geschafft (siehe Abbildung).

Quelle: https://en.oxforddictionaries.com/definition/schadenfreude

Ein weiteres Beispiel für ein deutsches Wort, das nicht ins Englische übersetzt werden kann, da es in der Sprache schlichtweg nicht existiert, ist „Fernweh“. In einer Zeit, in der vor allem junge Leute immer mehr darauf erpicht sind, die Welt zu entdecken und Reisen einen viel höheren Stellenwert in der Gesellschaft eingenommen hat als dies noch vor einigen Jahren der Fall war, haben wir Deutschen aus „Heimweh“ einfach „Fernweh“ gemacht. Wenn man etwas krampfhaft verbessern will, es dabei aber nur noch schlimmer macht, nennen wir das „Verschlimmbessern“, wenn ein Anderer etwas Peinliches tut und uns das unangenehm ist, reden wir von „Fremdschämen“, ein hohes Maß an Sensibilität und Taktgefühl bezeichnen wir als „Fingerspitzengefühl“, eine Idee, die so bescheuert ist, dass sie nur einem Betrunkenen einfallen kann ist eine „Schnapsidee“ und sich in der Freizeit so viel vorzunehmen, dass man ständig unterwegs ist, bezeichnen wir als „Freizeitstress“. All diese Wörter kann man nicht ins Englische übersetzen, da sie im Wortschatz der Sprache einfach nicht vorhanden sind. In so einem Fall muss ein Übersetzer versuchen, die Begriffe in der Fremdsprache so passend wie möglich zu umschreiben.

Eine weitere Schwierigkeit für Übersetzer sind Begriffe, die zwar eine Entsprechung in der Fremdsprache haben, diese aber nicht alle Bedeutungsaspekte des deutschen Begriffes umfasst. Da eine gute Übersetzung von der Berücksichtigung der subtilsten Unterschiede der Sprachen lebt, muss der Übersetzer sich ebenjenen Unterschieden bewusst sein. Für das deutsche Wort „Geborgenheit“ findet man beispielsweise in den gängigen Wörterbüchern die Übersetzung „security“ (oder auf Französisch und Spanisch „sentiment de sécurité“ bzw. „seguridad“). „Sicherheit“ ist jedoch nicht das Gleiche wie „Geborgenheit“, da der Aspekt der Vertrautheit, Nähe, Wärme und der Ruhe fehlt. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff „Geschmacksverirrung“, der häufig mit „bad taste“, „faute de goût“ bzw. „mal gusto“ übersetzt wird. Mit diesen Übersetzungen wird nur ausgedrückt, dass jemand einen schlechten Geschmack hat, was mit dem deutschen Begriff überhaupt nicht gemeint ist. Im Gegenteil: Eine Geschmacksverirrung liegt dann vor, wenn jemand eigentlich einen sehr guten Geschmack hat und nur ausnahmsweise einmal danebengreift.

Dafür gibt es in anderen Sprachen jedoch auch Begriffe, die uns im Deutschen fehlen. „Estar de sobremesa“ aus dem Spanischen bezeichnet beispielsweise die Situation, nach einem gemeinsamen Essen noch zusammenzusitzen und sich zu unterhalten oder ein/e „friolero/friolera“ ist eine sehr verfrorene Person (im Deutschen gibt es dafür kein Substantiv, sondern nur das Adjektiv „verfroren“). Im Italienischen gibt es mit „culaccino“ eine Bezeichnung für den Abdruck, den ein feuchtes Glas auf dem Tisch hinterlässt (wir Deutschen brauchen diesen Begriff natürlich nicht, da wir, zumindest gemäß den vorherrschenden Klischees, so ordentlich sind, dass wir immer Untersetzer für unsere Gläser benutzen). Das norwegische Wort „Utepils“ hingegen könnte man auch im Deutschen gebrauchen, es bezeichnet ein Bier, das draußen getrunken wird. Und im Schwedischen gibt es sogar ein Wort, um zu beschreiben, dass jemand morgens früh aufsteht, nur um hinauszugehen und dem Vogelgezwitscher zu lauschen („Gökotta“).

Für Übersetzer stellen solche unübersetzbaren Wörter natürlich eine große Herausforderung dar, da es nicht immer leicht ist, eine passende Umschreibung zu finden, die kurz genug ist, um in das Layout des Originaltextes zu passen. Aber auch im alltäglichen Sprachgebrauch wäre es doch schön, für den ein oder anderen Sachverhalt ein treffendes Wort zu haben, damit uns eben nicht mehr so oft die Worte fehlen.

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